
Ein Update zu unserem Beitrag vom 19. Januar 2024 zum Kampf gegen Greenwashing und den Regeln zu Green Claims
Der Katjes-Rechtstreit um die „klimaneutrale Produktion“ von Grün-Ohr-Hasen wurde mit Urteil vom 27.06.2024 (Az. I ZR 98/23) in letzter Instanz vom BGH nun nach mehreren Jahren endlich entschieden. Bei der Begründung stützt sich der BGH unter anderem auf sein Ever-Green-Urteil aus dem Jahre 1988. Wir haben einen Blick in die Urteilsgründe geworfen und uns vor allen Dingen gefragt, in welchem Verhältnis die vom BGH statuierten Anforderungen zur Green-Claims-Richtlinie und zur Empowering Consumers Richtlinie stehen. Mit den kommenden Neuregelungen zu umweltbezogener Werbung wird das Urteil wohl nur eine kurze Halbwertszeit haben.
Was sagt der BGH zur Werbung mit „klimaneutraler Produktion“?
Erst einmal stellt der BGH klar, dass der Begriff „klimanetral“ als Werbung verschiedene Interpretationen zulässt (ErwGr. 28) und stimmt damit dem Berufungsgericht zu. So kann eine klimaneutrale Produktion von Gummibärchen entweder dadurch erfolgen, dass im Rahmen Produktion an sich bereits CO2-Emissionen vermieden werden. Möglich ist allerdings auch, dass ein Unternehmen im Nachgang der Produktion die CO2-Emissionen, beispielsweise mittels Zahlungen für Klimaschutzprojekte, kompensiert. Berufungsgericht und BGH sind sich insoweit einig, dass dem Durchschnittsverbraucher die verschiedenen Optionen zur Erreichung der Klimaneutralität so auch bewusst ist. (ErwGr. 33)
Der BGH zieht weiterhin einen Vergleich zu gesundheitsbezogenen Angaben, die ebenfalls besonders strengen Anforderungen unterliegen, da Verbraucher der Gesundheit einen hohen Stellenwert beimessen und entsprechende Werbemaßnahmen deshalb besonders wirksam sind (ErwGr. 23). Bei umweltbezogenen Angaben gelten ebenso strenge Anforderungen und dies bereits seit 1988, insbesondere im Hinblick auf Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage. So führt der BGH aus, dass der Senat bereits damals davon ausging, dass sich infolge der allgemeinen Anerkennung der Umwelt als eines wertvollen und schutzbedürftigen Guts zunehmend ein verstärktes Umweltbewusstsein entwickelt hat und infolgedessen der Verkehr vielfach Waren und Leistungen bevorzugt würden, auf deren besondere Umweltverträglichkeit hingewiesen wird. Da allerdings oftmals Unklarheiten über Werbeaussagen wie „umweltfreundlich“ oder „umweltschonend“ bestünden, sei die Irreführungsgefahr in diesem Segment besonders groß und daher bestehe ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verbraucher. (ErwGr. 25)
Das heißt im vorliegenden Fall bei der Werbung mit einer klimaneutralen Produktion konkret: Direkt in der Werbung muss bereits eindeutig und klar erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist, sprich: Wird die Klimaneutralität durch eine CO2-Einsparung direkt beim Produktionsvorgang erreicht oder findet nachträglich eine Kompensation statt? Der BGH betonte in diesem Zusammenhang übrigens einmal mehr den Vorrang der CO2-Reduktion gegenüber der Kompensation.
Das Berufungsgericht ging - laut BGH fälschlicherweise - davon aus, dass diese Mehrdeutigkeit aufgelöst wurde durch das ebenfalls angebrachte Siegel unter Benennung von „Climate Partners“. So argumentierte die Vorinstanz: Worauf soll das Siegel sonst hinweisen, wenn nicht auf die CO2-Kompensation? Nach Ansicht des BGH wird der Verweis gerade nicht einzig mit einem Kompensationspartner in Verbindung gebracht, sondern gerade der Hinweis auf eine klimaneutrale Produktion lege nahe, dass Klimaneutralität eben auch durch Einsparung erreicht werden kann, welche durch Kooperationspartner wie Climate Partners unterstützt werden, wie beispielsweise durch den Einbau durch Filteranlagen etc.. (ErwGr. 35)
Im Gegensatz zum Berufungsgericht ist der BGH schließlich auch der Ansicht, dass die Aufklärung, dass eine Kompensation stattfindet, auf Internetseite von Climate Partners und deren Angabe in der Werbung nicht ausreichend sei, da diese eben nicht unmittelbar auf dem Werbemedium stattfindet. Insofern sei auch der begrenzte Platzmangel auf dem Werbemedium kein Argument. (ErwGr. 36)
Zusammenfassend stellt der BGH in seinem Urteil also die folgenden Leitplanken für eine Bewerbung eines Produkts mit einer „klimaneutralen Produktion“ auf:
Klarheit & Wahrheit: Grundsätzlich sind umweltbezogene Angaben, ähnlich wie auch gesundheitsbezogene Angaben, besonders strenge Anforderungen zu stellen und zwar im Hinblick auf Richtigkeit, Eindeutigkeit und Klarheit der Werbeaussage.
Mehrdeutigkeit geht immer zu Lasten des Werbenden: Der Begriff "klimaneutral" kann insofern sowohl die Vermeidung von CO2-Emissionen als auch eine CO2-Kompensation umfassen, es kommen mehrere Bedeutungen in Betracht.
Wesentliche Informationen auf Werbemedium selbst: Die strengen Anforderungen werden bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff verwendet, regelmäßig nur dann erfüllt sein werden, wenn bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert wird, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Es kann auch nicht argumentiert werden, dass eine entsprechende Aufklärung direkt auf dem Werbemedium aufgrund von Platzmangel nicht möglich sei.
QR-Code/Internetseite: Ein Verweis auf ein externes Medium, wie beispielsweise eine Webseite, welche mittels QR-Codes, der sich auf dem Produkt befindet, aufgerufen werden kann ist insofern nicht ausreichend.
Was wird sich an diesen Anforderungen durch die neuen EU-Regelungen ändern?
Mit Blick auf die Richtlinie (EU) 2024/825 hinsichtlich der Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel (Kurz: Empowering Consumers Directive oder auch EmpCo-RL genannt) könnte man sagen, die Werbung mit „Klimaneutralität“ ist tot.
Ganz so einfach ist es aber doch nicht.
Die Richtlinie ergänzt die schwarze Liste per se verbotener Tatbestände: Zukünftig ist es danach verboten, eine Aussage zu treffen, die suggeriert, ein Produkt habe eine neutrale, verringerte oder positive Auswirkungen auf die Umwelt, wenn sich diese Aussage lediglich auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen stützt.
Im Gegensatz dazu findet sich jedoch in Erwägungsgrund 12 der EmpCo-RL die Aussage, dass ein solches Verbot Unternehmen nicht daran hindern sollte, für ihre Investitionen in Umweltinitiativen, etwa in Projekte für Emissionsgutschriften, zu werben, sofern sie diese Informationen in einer Weise bereitstellen, die nicht irreführend ist und den Anforderungen des Unionsrechts genügt.
Auch der derzeit diskutierte Entwurf der EU-Kommission zu Green Claims als spezielleres Gesetz sieht vor, dass die Werbung mit „klimaneutral“ weiterhin unter bestimmten Voraussetzungen zulässig sein soll.
Das BGH-Urteil greift den Vorgaben der Green Claims Richtlinie für die Kommunikation von Umweltaussagen vor.
So sieht auch der Entwurf der Kommission aus dem letzten Jahr strenge Anforderungen in Bezug auf die Information von Green Claims vor. Vereinfacht gesagt, müssen Unternehmen zukünftig erst einmal eine umfassende Begründung mit dazugehörigen Belegen liefern, wenn Sie eine umweltbezogene Aussage treffen möchten. Diese muss in einem zweiten Schritt von einer akkreditierten Prüfstelle geprüft und zertifiziert werden. Angegeben werden muss dann eine kurze Zusammenfassung dieser Begründung, die gut lesbar und leicht verständlich für Verbraucherinnen und Verbraucher ist. Pflicht wird damit die Durchführung einer Lebenszyklusanalyse werden.
Insoweit zeigen sich zwei Parallelen zum BGH-Urteil: Einerseits müssen – wie im Urteil dargelegt – die wesentlichen Angaben bereits in der Werbung aufzufinden sein und andererseits bestätigt sich die vom BGH gezogene Parallele zu gesundheitsbezogenen Angaben: Anders als bei „Health Claims“ ist zwar keine zentrale Zulassungsstelle und gemeinsame Liste zugelassener Angaben vorgesehen, sondern individuelle Zertifizierungen, gleichwohl unterliegen beide Werbeangaben einem strengen Prüfverfahren. Auch für umweltbezogene Angaben wird über eine Veröffentlichung der zugelassenen Angaben in einer Liste auf EU-Ebene diskutiert.
Und was empfehlen wir Ihnen?
Umweltbezogene Werbeangaben sind im Trend, keine Frage. Außerdem ist es sinnvoll, als Unternehmen darauf hinzuweisen, wenn ein Produkt etwa besonders klimaschonend hergestellt wird. Allerdings werden, wie gezeigt, die regulatorischen Anforderungen strenger und durch die Präzedenzfälle der Rechtsprechung die Durchsetzung strikter.
Daher raten wir: Kommunizieren Sie klar und transparent, inwiefern der klimaschonende Effekt zustande kommt und klären Sie vor allen Dingen über die konkreten Maßnahmen, die zur Erreichung der Klimawirkung ergriffen werden, auf. Bedenken Sie hierbei stets den Vorrang von Einsparung gegenüber Kompensation: Besser ist es, das CO2 überhaupt nicht in die Atmosphäre zu bringen.
Bis 2026 muss die EmpCo-RL in nationales Recht umgesetzt werden, spätestens dann wird eine Werbung auf Basis von Kompensationsmaßnahmen wohl nicht mehr möglich sein. Der Wind könnte sich allenfalls mit der Green Claims Richtlinie und spezifischen Vorgaben drehen, sollten sich die Mitgliedsstaaten auf EU-Ebene einigen können – die Trilog-Verhandlungen sind im Herbst – es bleibt spannend.
Aufgrund entsprechender Vorlaufzeiten im Etikettendruck, langer Haltbarkeit von bestimmten Lebensmitteln und Abstimmungsprozessen im Unternehmen ist es besonders wichtig im Marketing vorauszudenken und die aktuellen Entwicklungen genau zu beobachten – mit unserem Newsletter bleiben Sie auf dem aktuellen Stand.
Und wie immer gilt: Better be safe than sorry! Lassen Sie sich bei Unklarheiten beraten, wir von LEKKER Partners stehen Ihnen zur Seite.
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